Viele Menschen assoziieren bestimmte Situationen in ihrem Leben z.B. mit Musik.

Mache ich auch, aber eben nicht nur. Ich verknüpfe - vollkommen unbewusst - bestimmte Gefühle und Situationen mit einem imaginären Foto in meinem Kopf. Das können mal Bilder aus der Realität, manchmal aber auch ein ganz neues Foto sein.

Am Anfang ist es nur ein Look, der sich nach und nach mit Inhalt füllt.

Dann entsteht der Wunsch, eben dieses Gefühl mit meiner Kamera zu fotografieren. Das ist oftmals ein Prozess mehrerer Jahre, wobei mein finales Ergebnis gar nicht unbedingt das beste Bild aus dem Projekt ist. Es kommt lediglich meinem Gefühl als Fotograf am nächsten. Im Nachhinein betrachtet, liegt das oft an einer Nuance in dem Foto. Eine bestimmte Lichtsituation, ein spezielles Objektiv, ein besonderer Mensch oder ein flüchtiger Gesichtsausdruck.

Ich fotografiere also ein Gefühl? Das kann man eigentlich so sagen. Wobei man hier natürlich von einer ziemlichen Bandbreite sprechen muss. Denn nicht alles ist happy und himmelblau. Soll es ja auch nicht. So entstehen unterschiedlichste Bildstile, die ich kontinuierlich ausbaue und verfeinere. Als Fotograf sollte man seine Bildsprache sprechen - aber ich glaube, eine Sprache ist einfach zu wenig. Wichtig ist mir, diese (fotografischen) Sprachen möglichst perfekt zu sprechen. Das ist ein nicht endender Lernprozess, aber gleichzeitig auch die Freude und Erfüllung der Fotografie -Grenzenlosigkeit.

Wenn ich also einen Mitmenschen fotografieren darf, packe ich mein Gegenüber in eine emotionale, positive Ecke. In diesem Moment definiere ich den grundsätzlich Look der Fotostrecke. Das ist ein spannender Prozess für Fotograf und Model, denn bei den wenigsten Shootings weiß ich all zu viel über das Model. Ich erfühle mir also mein ganz persönliches, subjektives Bild. Wenn ich mit einem Model mehrmals zusammen arbeite, steht das zweite Shooting meist im krassen Gegensatz zum ersten. Fühle ich als Fotograf "Rocker", fotografiere ich "Den Denker". Dieses Vorgehen erfordert schon eine große Portion Vertrauen seitens des Models, denn nicht immer verrate ich vorab, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Natürlich sprechen wir Aufnahmebereiche vorher genau ab, aber die Umsetzung behalte ich mir in weiten Teilen vor. Warum denn nicht überraschen? Warum nicht den außergewöhnlichen Weg gehen?

Ja zu Kritik, Nein zu Intoleranz

Ich kann die Kritiker schon recht genau hören: "Wo ist die Natürlichkeit?" "Versetzt Du Dich nicht in die Rolle des Models?". Diese Grundsatzdiskussion wird aus meiner Sicht als Fotograf oft mit einer bedenklichen Intoleranz geführt. Künstlerische Freiheit ist für mich, einen Menschen so fotografieren zu können (nicht müssen) wie ich ihn sehe - kein Spiegelbild seiner selbst. Kein Mensch hat nur eine Seite, jeder Mensch versteckt sich auch ein wenig oder kennt die ein oder andere Facette seines Ichs vielleicht auch noch gar nicht. Wenn ich ein eher schüchternes Model als Vamp darstelle - liege ich dann zwingend falsch? Wenn ich aus dem Vamp eine zarte Verführung mache - kann das nicht auch ein Teil dieses Menschen sein? Es geht für mich nicht (nur) darum, abzubilden was man kennt. Ich möchte an dieser Stelle auch keine Wissenschaft daraus machen, meine Fotos dürfen gerne eine Illusion sein - sie müssen dem Model und mir gefallen. Wer anders fotografiert, hat dafür bestimmt andere, genauso gute Gründe. Das ist nicht besser oder schlechter, es ist einfach eine andere Meinung. Darum heißt es auch "künstlerische Freiheit". 

Die Diskussionen gehen mir in vielen Teilen zu weit, werden mir definitiv zu persönlich. Entweder bin ich Künstler, oder ich bin intolerant - beides zusammen sehe ich als einen Widerspruch in sich. Wenn ich mir ein tolles Portrait ansehe, fühle ich mich dann wirklich in der Lage, den portraitierten Menschen in irgendeiner Form zu kennen oder gar zu beurteilen? Ich halte so eine Einstellung für vermessen. Es gibt die berühmten Ausnahmen. Ich denke da an ein Portrait Newtons von Helmut Kohl, vor einer alten Eiche fotografiert. Das passt, ist eine Geschichte, eine perfekte Assoziation. Hier stehen aber auch die Vorzeichen anders - und es fotografierte nun mal der Meister ;-)

Es gibt - wie überall - auch in der Fotografie die Grenzen des guten Geschmacks, Niveau, Achtung. Darüber müssen wir wohl nicht sprechen. 

Der Mallorca Fotograf im Business

Auf Mallorca ist Fotografie auch ein hartes Business. Jeder kämpft um jeden Kunden, jeder versucht sich notwendigerweise in diesem Haifischbecken zu positionieren. Das bleibt die Kunst manchmal zu Gunsten der Notwendigkeit (Kundenanspruch) auf der Strecke. Auch das ist kein Urteil über den Fotografen, er bedient in diesem Moment schlichtweg einen Markt. Aber muss, darf oder soll ich deswegen einen Fotografen disqualifizieren? Ich denke nicht. Denn sieht man sich die Portfolios mal genauer an, erkennt man die berühmten "Lieblinge" meist recht schnell. Es ist hier oftmals nicht die Frage des Könnens, sondern des Dürfens.

Covid-19 macht es für die Fotografen nicht leichter. Es reißt ein finanzielles Loch in den Geldbeutel, welches in vielen Fällen mit entsprechender Quantität in den Aufträgen irgendwann ausgeglichen werden muss. Das macht keinem Fotografen Spaß, aber wir alle müssen von irgendwas leben...

Sich ausschließlich der Kunst zu widmen ist ein Privileg, welches nur ganz wenigen unserer Zunft zu Teil wird. Selbst wenn man dieses Privileg für sich benennen kann, geht man nicht nach jedem Shooting-Tag ins Bett und ist zufrieden mit seiner Leistung.